Palma – Was lief schief bei Werder Bremen? Wie konnte es zur schlechtesten Hinrunde der Vereinsgeschichte kommen, nachdem die Saison davor noch die beste seit neun Jahren gewesen war? Diesen Fragen sind Sportchef Frank Baumann und Chefcoach Florian Kohfeldt in der Winterpause nochmal intensiv nachgegangen.
Als Ergebnis räumt Frank Baumann erstmals Defizite in der medizinischen Betreuung und der Kaderzusammenstellung bei Werder Bremen ein, nahm aber auch die Spieler ganz deutlich in die Pflicht. In der Players Lounge des RCD Mallorca sprach der Geschäftsführer Sport am Sonntag über die wichtigsten Themen und Probleme der Hinrunde. Frank Baumann über...
... die Verletzungsmisere des SV Werder Bremen
Zehn, elf, zwölf – die Zahl der Ausfälle wuchs und wuchs in Bremen, lange forschte Werder nach den Gründen. Einen glaubt der Verein gefunden zu haben: die Kommunikation zwischen Spielern, Physiotherapeuten, Athletiktrainern und medizinischer Abteilung. „Der Austausch war nicht intensiv genug“, meint Baumann – beginnend bei den Spielern: „Bei ihnen fängt es an, sie müssen eine ehrliche Rückmeldung geben, wie es ihnen geht, wie sie sich fühlen, wo sie ihre speziellen Probleme haben, wann ihnen das Training auch zu viel wird. Diese Rückmeldungen sind enorm wichtig.“ Doch sie kommen kaum. Frank Baumann: „Vielleicht ist unsere Mannschaft da zu brav. Wir müssen die Spieler dahin entwickeln, müssen sie auch schulen, ein Gefühl für sich zu entwickeln.“
Kurios: Ausgerechnet Max Kruse, der auch mal mit deutlich Übergewicht aus dem Urlaub kam, ist in Baumanns Augen ein gutes Beispiel: „Er ist ein wichtiger Indikator gewesen. Er hat es den Athletiktrainern oder Florian Kohfeldt gesagt, wenn ihm die Belastung zu groß erschien.“ Andere tun es nicht. Auch aus übertriebenem Ehrgeiz. „Du willst immer besser werden, willst immer mehr, aber wenn du zu viel machst, kann das kontraproduktiv werden. Im Rückblick müssen wir erkennen, dass wir der Regeneration zu wenig Raum gegeben haben“, sagt Baumann, „vielleicht haben wir alle zu viel gewollt.“ Die Spieler müssen die Erholung fortan aber einfordern, um speziell die hohe Zahl der Muskelverletzungen runter zu fahren.
Komisch nur, dass Werder Bremen viele Experten beschäftigt, die die Fitnessdaten der Spieler erfassen und auswerten, am Ende aber doch das Gefühl des Spielers das Wichtigste ist. „Klar sind die Daten wichtig. Damit versuchen wir, einen Überblick zu bekommen. Es ist aber immer auch eine sehr individuelle Geschichte und damit auch die Verantwortung des einzelnen Spielers“, argumentiert Baumann.
Mittlerweile hat Werder eine medizinische Runde vor jedem Trainingstag eingeführt. In der wird aber nicht nur über angeschlagene oder verletzte Spieler gesprochen, sondern auch über die gesunden und deren Bedürfnisse. Außerdem verhält sich Werder konträr zur Stammtischmeinung, dass in der Krise noch mehr als sonst trainiert werden müsse. Es fällt auch mal eine Trainingseinheit weg – so wie am Sonntag im Trainingslager auf Mallorca. Eine Einheit um 11.30 Uhr – sonst nichts.
...die Kaderplanung bei Werder Bremen
Auch hier gab es viel Kritik für den Sportchef. Zu alt sei der Kader, der Verlust von Max Kruse zudem nicht aufgefangen worden. Dass das Durchschnittsalter von 24,76 auf 25,77 Jahre gestiegen ist, ist ein Fakt. Dennoch wehrt sich Baumann, sagt: „Ich glaube, die Altersstruktur passt.“ Dem Kader fehlt aber das gewisse Etwas. Baumann gibt zu: „Wo wir nicht so gut besetzt sind, ist im Bereich der dominanten Typen. Das wussten wir aber auch schon im Sommer. Sie sind aber auch nicht so leicht zu finden.“
Dominant ist in der Werder-Lesart nicht gleichzusetzen mit einem Führungsspieler. „Davon haben wir einige“, meint der Manager. Aber einen Typen wie Stefan Effenberg, der für Baumann das Paradebeispiel eines dominanten Charakters ist, den haben die Bremer eben nicht. „Wir müssen uns ein Stück weit eingestehen, dass uns da noch ein, zwei Typen weitergeholfen hätten. Gerade in einer so krassen Situation, wie wir sie im Dezember erleben mussten.“ Dass Baumann aktuell nach einem solchen Spieler sucht, ist klar. Dass er ihn auch finden wird und verpflichten kann, dagegen nicht.
...Werder Bremens Probleme bei Sprints und Standards
Elf Gegentore nach ruhenden Bällen – Werder Bremen hat dieses Problem in der Hinrunde nie in den Griff bekommen. Weil die Mannschaft zu klein ist? Einzig Sebastian Langkamp misst mehr als 190 Zentimeter, alle anderen Spieler haben Normalmaß – auch die aus der Abwehr. Dennoch sagt Baumann: „Wir hatten nur bei einem der elf Gegentore ein echtes Missmatch in Sachen Größe – das war beim Duell Christian Groß gegen Wolfsburgs John-Anthony Brooks. Ansonsten ging es darum, wie wir die Räume besetzt haben. Da haben wir Fehler gemacht – außerdem in der Konzentration und Konsequenz. Daran müssen wir arbeiten. Die Jungs sind gefordert, das besser zu machen.“
Das Defizit an Sprints – Werder liegt laut „bundesliga.de“ mit 10579 intensiven Läufen auf Rang 17 und beinahe 2000 Sprints hinter Spitzenreiter Bayer Leverkusen (12500) – erklärt der Ex-Nationalspieler unter anderem mit dem langen Ausfall von Viel-Sprinter und Linksverteidiger Ludwig Augustinsson sowie seinem Pendant auf rechts, Theodor Gebre Selassie, der einige Spiele in der Innenverteidigung aushelfen musste. Ihre Vertreter gingen nicht so oft die Linien rauf und runter. Baumann: „Da fehlt uns etwas.“
...die Gesamtanalyse
„Wir haben zu viele Spieler gehabt, die keine Vorbereitung hatten oder die nach fünf, sechs Wochen Verletzungspause Trainingsrückstände hatten. Mit den Folgeerscheinungen hatten wir die gesamte Hinrunde zu kämpfen“, erklärt Baumann und skizziert eine Art Teufelskreis, aus dem die Mannschaft nicht herausgefunden habe: „Erst fehlt die Fitness, dann gehen die Automatismen verloren, danach Sicherheit und Selbstvertrauen. Das haben wir dann in den letzten sechs Spielen der Hinrunde zu spüren bekommen.“ (csa)
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