Berlin – Ein 2:2 kann sich wie ein Sieg anfühlen. Dann nämlich, wenn ein Spiel so läuft wie für Hertha BSC am Samstagnachmittag. Früh 0:2 zurückliegen, dann kämpfen, rennen, treffen, um am Ende eben nicht zu verlieren, obwohl am Anfang alles danach aussah. Die Hertha wird also nach dem Match gegen Werder Bremen nicht unzufrieden gewesen sein mit Verlauf und Ausgang der Partie.
Ganz anders natürlich der SV Werder Bremen. Der Blitzstart mit Toren in der dritten und sechsten Minute reichte am Ende nur zu einem Punkt – und das fühlte sich für Kevin Vogt überhaupt nicht gut an. „Für mich sind es heute mehr zwei verlorene Punkte und nicht ein gewonnener“, sagte der Bremer Winter-Neuzugang und war sich sicher, „dass es den anderen genauso geht. Ich sehe bei uns jedenfalls keine strahlenden Gesichter.“
Wieso auch? Der Punkt ist im Abstiegskampf nur sehr wenig wert, Werder braucht Siege, um Hoffnung zu schöpfen. Aber wer so spielt, wie die Bremer nach der schnellen Führung gegen Berlin hat bald keine mehr. Nochmal Vogt: „Wir haben zunächst sehr einfach gespielt, mit wenigen, schnellen Pässen. Das war nicht Hacke, Spitze, eins zwei, drei, sondern zielstrebig, einem Plan folgend. Und es war erfolgreich. Dann haben wir es plötzlich kompliziert gemacht und einen Gegner, der eigentlich schon tot war, zurück ins Spiel geholt.“
Werder Bremen hat Probleme mit der Kondition: Torverhältnis von 2:14 in Hälfte zwei in 2020
War wohl so. Werder kassierte noch zwei Gegentore, die zwei Punkte kosteten. Mittlerweile haben die Bremer in der laufenden Saison nach Führungen schon 22 Zähler (!) abgeben müssen – das ist Liga-Höchstwert. Die Zahl deutet darauf hin, dass Werder Bremen ein Kraft - und Konditionsproblem hat. Was auch durch weiteres Zahlenwerk gestützt wird. Seit Rückrundenstart steht das Torverhältnis für die ersten Halbzeiten bei 5:4 für Werder, das für die zweiten Halbzeiten dagegen bei 2:14 - noch Fragen? Obwohl die Entwicklung nicht neu ist und die Zahlen immer eindeutiger werden, betont Werder-Sportchef Frank Baumann, dass die Mannschaft keine körperlichen Defizite habe.
Kapitän Niklas Moisander argumentierte nach der Punkteteilung in Berlin aber damit, dass das Pokalspiel drei Tage zuvor noch Wirkung gezeigt habe. „Das ist auch ein bisschen der Grund, dass wir nicht die richtige Kraft hatten“, sagte der Finne, wird sich dafür aber möglicherweise einen Rüffel von Coach Florian Kohfeldt abholen. Denn der hatte vor der englischen Woche noch deutlich erklärt, dass Profis imstande sein müssen, so ein Programm absolvieren zu können.
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„20 Minuten perfekt, danach nichts mehr“: Werder Bremen kann nicht konstant spielen
Offenbar kann Werder aber nicht mal über 90 Minuten auf einem Level spielen. Noch mehr Moisander-Meinung über das 2:2 bei der Hertha und die Bremer Gesamtperformance: „20 Minuten war es perfekt, dann haben wir aufgehört, Fußball zu spielen. Wir haben im ganzen Jahr noch keine konstante Leistung über 90 Minuten hinbekommen. Im Moment ist es schwierig, ein komplettes Spiel abzuliefern.“
Nur zur Erinnerung: Werder hat vor kurzem in Axel Dörrfuß den Leiter des Fachbereichs Athletik von den Profis abgezogen. Das hatte einst auch Alexander Nouri als Werder-Trainer schon einmal so ähnlich gemacht und den Aufgabenbereich selbst übernommen. Die aktuell von ihm trainierte Hertha hat zuletzt zwar ergebnistechnisch auch nicht geglänzt, aber gegen Fortuna Düsseldorf beim 3:3 ein 0:3 aufgeholt. Nun folgte das 2:2 nach 0:2 gegen Werder. Weshalb die Berliner am späten Samstagnachmittag deutlich glücklicher aussahen als die Bremer. (csa)