Wolfsburg - Das zwischenzeitliche Wolfsburger 1:1 durch Wout Weghorst hat die Bilanz zweistellig gemacht. Schon zehn Gegentore hat der SV Werder Bremen in der laufenden Saison nach Ecken oder Freistößen kassiert.
Dennoch ist das Thema für Florian Kohfeldt seit Sonntag keines mehr. „Auf der einen Seite haben wir wieder ein Standard-Gegentor gekriegt, auf der anderen Seite bin ich aber richtig froh, dass wir die letzten zehn Minuten alles wegverteidigt haben“, sagt der Trainer des SV Werder Bremen.
Werder Bremen: Florian Kohfeldts Versuch, das Thema Standards abzuwürgen
Gefühlt seien in der Schlussphase „100 Standards“ in den Bremer Strafraum geflogen, – und das sei „gegen die Türme, die da reingeflogen sind, die maximale Herausforderung“ gewesen, meinte Kohfeldt mit Blick auf die VfL-Hünen Wout Weghorst (1,97 Meter), John Anthony Brooks (1,93 Meter) und Jeffrey Bruma (1,89 Meter).
Doch außer einem Abseitstor von Bruma passierte nichts mehr. Für Kohfeldt ist das der Grund, die öffentliche Diskussion um die große Bremer Schwäche nun abzuwürgen: „Wir haben das alles überstanden und damit hoffe ich, dass ich das Thema jetzt auch zumachen kann.“ (csa)
Zur letzten Meldung vom 16. November 2019:
Kohfeldt plant bei Werder Bremen die große Standard-Woche
Wie oft er sich die Szene im Nachhinein auf Video angesehen hat, ist nicht überliefert. Ein paar Mal, vor, zurück, wieder auf Anfang – davon ist auszugehen. Denn schließlich ist Florian Kohfeldt beim Thema Standardsituationen bei Werder Bremen noch immer auf Spurensuche.
Wie ein Forscher spürt er schon seit Wochen der Antwort auf eine ganz zentrale Frage nach: Warum um alles in der Welt ist Werder Bremen nur so schwach nach gegnerischen Standards? Neun Gegentore an elf Spieltagen, der schlechteste Wert der Liga. Kurios oder gar lustig findet das in Bremen schon lange keiner mehr.
Also diese Szene, das jüngste Fallbeispiel, aufgeführt in Gladbach: Freistoß Benes, Kopfball Bensebaini, 0:1, viel zu einfach. „Es ist einfach schlecht, was wir da machen“, ärgert sich Kohfeldt, der diesen Satz speziell auf Gladbach aber auch allgemein auf die bisherige Bremer Standard-Saison bezieht. Und der nun, während der Länderspielpause, etwas ändern will.
Florian Kohfeldt über die Standards bei Werder Bremen: „Kein Freund davon, so ein Thema totzuschweigen“
„Ich bin überhaupt kein Freund davon, so ein Thema totzuschweigen, so nach dem Motto: Jetzt lasst uns nicht mehr drüber reden, dann löst sich das Problem schon“, sagt Kohfeldt, der den Bereich Standards für die kommende Trainingswoche vor dem Heimspiel gegen Schalke 04 „deutlich mehr aufs Tableau“ hievt. Heißt im Klartext: Ab Dienstag wird es jeden Tag um Standards gehen, theoretisch, aber vor allem auch praktisch auf dem Trainingsplatz. Das ist neu. Normalerweise lässt Kohfeldt nur während des Geheimtrainings, in der Regel donnerstags, Standards trainieren, Varianten, die der Gegner nicht sehen soll. Nun geht es aber um Grundsätzliches. „Es passiert uns immer wieder, dass die Absprachen nicht ineinander übergehen“, kritisiert Kohfeldt – und ist wieder bei Benes und Bensebaini, wieder in Gladbach.
„Es ist klar besprochen, dass wir in diesem Raum gegen den Ball gehen müssen. Es war kein Problem der Höhe, der Torwart kann da nicht raus, sondern es war genau so eine Situation, in der du gegen den Ball gehen kannst, und das machen wir nicht“, hadert Kohfeldt, der sich die Szene – angesichts dieser detaillierten Analyse – vielleicht doch öfter als ein paar Mal angesehen hat. Sehr wahrscheinlich auch nicht allein, sondern mit Ilia Gruev, seines Zeichens Co-Trainer und in dieser Funktion „federführend“, wie es Kohfeldt nennt, wenn es bei Werder um ruhende Bälle geht. Und dementsprechend der Mann, der momentan öffentlich im Zentrum der Kritik steht, von dem erwartet wird, dass er diese miesen Zahlen irgendwie erklärt: acht Gegentore, elf Spieltage.
Werder Bremen: Florian Kohfeldt setzt weiter großes Vertrauen in „Standard-Trainer“ Ilia Gruev
Werder hat es bisher vermieden, Gruev selbst zu dem Thema sprechen zu lassen, das ist noch Chefsache, das macht Kohfeldt, und der steht seinem Assistenten bei. „Erstmal hat das Ganze zwei Seiten“, sagt der 37-Jährige, „denn offensiv sind wir weit oben mit dabei“. Das stimmt, fünf Tore hat Werder schon nach Standards erzielt. Und überhaupt: Auch insgesamt ist Kohfeldts Vertrauen in Ilia Gruev nach wie vor groß. Die Männer beraten sich, tauschen sich aus – und haben nach dem Leipzig-Spiel etwa gemeinsam entschieden, bei gegnerischen Eckbällen künftig wieder einen Spieler an den Pfosten zu stellen.
„Ich werde Ilia nichts wegnehmen“, sagt Kohfeldt , die Standards, sie bleiben also der Bereich des Co-Trainers. „Er geht sehr professionell mit dem Thema um, ist lösungsorientiert und immer noch eine große Stütze.“ Bereut hat es Florian Kohfeldt also nicht, das Thema Standards in andere Hände zu legen. Nur ob er es vor der Saison öffentlich hätte sagen sollen – da haben den Cheftrainer inzwischen leise Zweifel beschlichen: „Wenn ich gewusst hätte, dass wir so viele Standardtore bekommen, hätte ich mich vielleicht anders ausgedrückt.“ (dco)
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Zur letzten Meldung vom 4. November 2019:
Chaos im Kopf: Wieso Werder Bremen die Schwäche bei gegnerischen Standards nicht in den Griff bekommt
Es passiert wieder und wieder. Gegen den SC Freiburg sogar gleich zweimal. Ecke oder Freistoß, Kopfball, Tor – es ist dieses einfache Rezept, durch das sich Werder Bremen immer wieder Punkte klauen lässt.
Am Samstag hatte Werder Bremen dabei sogar noch Glück, dass der erste Gegentreffer durch Roland Sallai wegen eines Schubsers des Freiburgers nicht anerkannt wurde (20.). Als in der Nachspielzeit jedoch Nils Petersen nach einer Freistoß-Vorlage einköpfte, traf die eigene Unfähigkeit die Bremer Spieler einmal mehr wie eine Keule. Ausgleich, Sieg verspielt. Wieder einmal, weil mindestens einer nicht aufgepasst hatte.
In diesem Fall war es Ömer Toprak gewesen, der Petersen aus den Augen verloren hatte und gar nicht erst zum Kopfball hochgestiegen war. „Das geht auf meine Kappe“, sagte er hinterher reumütig und lieferte im Anschluss die wohl treffendste Beschreibung dessen, was sich im Bremer Strafraum mit großer Verlässlichkeit beobachten lässt: „Beim Standard ist Chaos.“
Bei Werder Bremen und den Standards gibt es in dieser Saison kein „Nummer sicher“
Gegen den SC Freiburg war das allerdings doppelt unverständlich, da Werder in den letzten Minuten einen Mann mehr auf dem Platz hatte, zudem in Sebastian Langkamp gerade noch einen zusätzlichen, großgewachsenen Verteidiger eingewechselt hatte. Alles auf Nummer sicher also, doch Nummer sicher gibt es einfach nicht in der Mannschaft von Trainer Florian Kohfeldt. Wieso nicht? „Weil wir es einfach nicht lernen, ein Spiel zu Ende zu bringen“, zürnte der Coach. Doch er zürnte in erster Linie Richtung Offensive, die beim Stand von 2:1 nicht für die Entscheidung gesorgt hatte. „Da waren schon eine Menge Chancen.“ Die nicht genutzt wurden. Was wiederum verschmerzbar gewesen wäre, wenn die Abwehr gehalten hätte. Dass sie es nicht tat, veranlasste Leonardo Bittencourt dazu, die gute Kinderstube mal kurz zu vergessen: „Es ist auf gut Deutsch gesagt, einfach nur scheiße, dass wir so ein Tor kassieren und wieder Punkte verlieren.“
Sieben Gegentore nach ruhenden Bällen hat der SV Werder in zehn Spielen kassiert – damit sind die Bremer bei Standards das schlechteste Team der Liga. Dass die Verantwortung dafür nicht nur bei den Spielern, sondern auch beim Trainerteam liegt, ist klar. Kohfeldt ist deshalb bei dem leidigen Thema schon mal kurz angebunden. Ob er mittlerweile angesichts der üblen Standard-Statistik verzweifeln würde, wurde er am Samstag gefragt. Seine Antwort war ein knappes „Ja“. Es jede Woche zu trainieren und anzusprechen, fruchtet einfach nicht.
Florian Kohfeldt: Standard-Gegentor von Werder Bremen war „einfach zu verteidigen“
Bittencourt rätselt wie alle anderen, warum es so ist, hat aber eine Vermutung. „Fußball ist Kopfsache. Da kann es schon sein, dass die Standard-Bilanz einem bei Freistößen und Ecken als Gedanke ins Unterbewusstsein schießt, obwohl man das wegdrücken möchte.“ Und es siegt das Nervenflattern, wenn in der Nachspielzeit ein Freistoß in den Strafraum segelt, der an sich gar nicht so gefährlich ist, weil weit auf den zweiten Pfosten gezogen. „Einfach zu verteidigen“ wäre die Aktion eigentlich gewesen, monierte Kohfeldt. Doch Toprak stieg nicht hoch, und Torhüter Pavlenka klatschte den Petersen-Kopfball auch noch selbst ins Netz.
Wie dumm kann man sich nur anstellen? „Wir müssen das in den Griff bekommen“, forderte Bittencourt, erklärte aber auch, dass zu viel öffentliche Aufregung dabei wenig hilfreich sei: „Wenn wir uns jetzt verrückt machen lassen, verunsichert uns das nur noch mehr.“ (csa)
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