Er ist kleiner als eine Streichholzschachtel und wird unterhalb des Schlüsselbeins implantiert: ein Zungenschrittmacher. Das Gerät soll gegen Schnarchen und einen Atemstillstand helfen.
Nacht für Nacht ringen viele Menschen nach Luft, ohne es zu wissen. Wer am Tag trotz regelmäßigen Schlafs erledigt ist, mit Kreislaufproblemen und Kopfschmerzen kämpft, der leidet möglicherweise an Obstruktiver Schlafapnoe (OSA). Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko steigen, die Unfallgefahr nimmt zu.
Grund ist die im Schlaf erschlaffende Muskulatur: Die Zunge sackt zurück in den Rachen und versperrt die oberen Atemwege - die Folgen sind Schnarchen und Atempausen, bis Stresshormone den Körper aufgrund des Sauerstoffmangels wecken. Fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung sollen so im Schlaf nach Luft ringen.
Pausen länger als zehn Sekunden
Medizinische Abhilfe für einen kleinen Teil der Betroffenen könnte künftig ein Zungenschrittmacher („Upper Airway Stimulation“) schaffen, der die Mechanik des Atemvorgangs stimuliert. Unter dem Schlüsselbein implantiert, misst das Gerät mittels eines Sensors zwischen den Rippen den Druck der Lunge, kurz vor dem Einatmen sendet es per Kabel ein Signal an einen Hirnnerv unter der Zunge. Die „milde Stimulation“ verhindert das Erschlaffen der Zungenmuskulatur. „Der Patient atmet dadurch im Schlaf wieder regelmäßig“, sagt Joachim Maurer von der Universitäts-HNO-Klinik Mannheim.
Schon seit einigen Jahren testen Ärzte die Technologie an Patienten. Derzeit kommen laut Maurer jedoch nur ein bis zwei Prozent von ihnen dafür infrage. Er stellte am Dienstag in Dortmund die erste große internationale Studie zur Wirksamkeit der Behandlung vor - zum Auftakt der Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie (DGHNO KHC). Die Atemaussetzer verringern sich mit dem Schrittmacher der Studie zufolge bei den speziell ausgewählten Patienten um 68 Prozent, der Sauerstoffabfall im Blut um 70 Prozent. Die Tagesschläfrigkeit nimmt ab und die Lebensqualität verbessert sich.
Atemmasken verschwinden oft im Schrank
„Fast die Hälfte aller Patienten ist bisher nicht ausreichend oder überhaupt nicht behandelt“, sagt Maurer. Der Grund: Die bisher angewandte Therapie mit nächtlich zu tragenden Atemmasken („Continuous Positive Airway Pressure“) hilft vielen Patienten zwar, für manche ist die Prozedur aber derart unangenehm, dass die Geräte oft im Schrank verschwinden.
Insgesamt 124 Patienten wurden im Rahmen der Studie international behandelt, unter anderem in Deutschland, Russland und den USA. „Bei 70 Prozent zeigt die Behandlung genau so gute Ergebnisse wie die Atemmasken, bei 20 Prozent zeigt sich Besserung, die noch optimierbar ist - bei lediglich zehn Prozent der Patienten schlägt die Behandlung nicht an“, fasst Maurer die Ergebnisse der Studie zusammen.
Beim Allgemeinen Verband Chronische Schlafstörungen Deutschland (AVSD) sind Betroffene bislang aber skeptisch. „Das ist ein immenser Eingriff in den Körper und dazu extrem teuer - wobei unklar ist, ob die Krankenkassen die Behandlung jemals bezahlen werden“, sagt Hartmut Rentmeister, Vorstand des Verbandes, der 4000 in Selbsthilfe organisierte Patienten vertritt. Die Kosten werden pro Behandlung auf etwa 20.000 Euro geschätzt. „Außerdem kann das Gerät nur bei einer ganz bestimmten Patientengruppe eingesetzt werden“, sagt Rentmeister.
Auch Maurer räumt ein, dass nur wenige der Betroffenen mit dem Zungenschrittmacher behandelt werden können. Zwar ist die Obstruktive Schlafapnoe eines der verbreitetsten Krankheitsbilder innerhalb der schlafbezogenen Atmungsstörungen, die Therapie komme aber nur für Patienten infrage, die die Standardtherapien wie Atemmasken oder Kieferschienen nicht vertrügen. Und auch dann gebe es mögliche Ausschlusskriterien wie zu große Mandeln, zu kleine Kiefer, Herzschwäche oder Übergewicht. Die zentrale Schlafapnoe, bei der das Atemzentrum betroffen ist, sei ebenfalls nicht auf diesem Wege behandelbar.
Für die guten Ergebnisse der Studie sei eine akribische Vorauswahl der Patienten verantwortlich. Maurer ist allerdings optimistisch, dass mit fortschreitender Forschung bald auch weitere Patienten für die Behandlung infrage kommen und damit möglicherweise langfristig auch die Kosten sinken könnten. Derzeit sei die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse aber noch an die Teilnahme an weiterführenden Studien gebunden.
Von Jonas Mueller-Töwe, dpa