Deutschen Rentnern bleibt meist nur ein Bruchteil ihres früheren Einkommens. Wie sieht das in anderen Ländern in Europa aus?
Wie viel Rente nach Eintritt in den Ruhestand monatlich auf dem Konto landet, hängt in Deutschland von verschiedenen Faktoren ab – mit am wichtigsten ist aber der Lohn während der Erwerbstätigkeit. Mithilfe der sogenannten Standardrente (oder Eckrente) wird abgebildet, wie viel ein Modell-Versicherter in Deutschland an Monatsrente bekommen würde, wenn er 45 Jahre lang Beiträge für ein Durchschnittsentgelt eingezahlt hätte und nicht vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Ruhestand gegangen wäre. 2022 beträgt die Eckrente im Westen monatlich 1.538,55 Euro und im Osten 1.506,15 Euro – und zwar brutto. Heutigen Arbeitnehmern erscheint das bei den aktuellen Preisexplosionen am Markt als wenig Geld zum Leben. Allerdings ist die individuelle Lebenssituation eines jeden anders. Gerne wird auch immer das Rentenniveau verschiedener Länder miteinander verglichen. Aber ist das Gras auf der anderen Seite des Hügels wirklich grüner?
Europa-Vergleich: Wie viel Altersrente bleibt im Vergleich zum früheren Gehalt?
Grundsätzlich ist es schwierig, die Renten- und Wirtschaftssysteme verschiedener Länder miteinander zu vergleichen. In Europa existieren im Groben zwei Grundtypen: Zum einen das sogenannte „Bismarck-Rentensystem“, bei dem die laufenden Zahlungen der Renten von aktuellen Beitragseinnahmen der Erwerbstätigen gedeckt werden. Und zum anderen das „Beveridge-Rentensystem“, bei welchem die Grundsicherung aus Steuern finanziert und in der Regel durch eine verpflichtende Betriebsrente ergänzt wird. Hinzu kommen „Mischtypen“ aus beiden Systemen.
Um herauszufinden, wie viel verfügbares Einkommen den Bürgern verschiedener Staaten im Ruhestand im Vergleich zum Verdienst während der Erwerbstätigkeit bleibt, vergleicht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einem Bericht von 2021 die Nettoersatzquoten miteinander. Die Nettoersatzquote ist laut OECD definiert als „individueller Nettorentenanspruch dividiert durch das Nettoarbeitsentgelt vor dem Renteneintritt, unter Berücksichtigung der von Erwerbstätigen und Rentnern zu entrichtenden Einkommensteuern und Sozialversicherungsbeiträge“. Sie beschreibt also das Verhältnis der Altersrente zu dem Nettolohn, der vor Renteneintritt verdient wurde.
Wichtig ist, dass es sich hierbei um eine theoretische Modellrechnung handelt, die nicht die tatsächlichen Rentenniveaus der Länder widerspiegelt. Vielmehr beziehen sie sich auf die angenommene Rente eines 20-Jährigen, der 2020 in den Arbeitsmarkt eingetreten ist, wie OECD-Sprecher Niklas Bartholmeß bereits gegenüber CORRECTIV klargestellt hat.
Hier die Nettoersatzquote in europäischen Ländern im OECD-Bericht von 2021:
Land | Nettoersatzquote (bei Durchschnittsverdienst) |
---|---|
Türkei | 103,3 Prozent |
Ungarn | 94,0 Prozent |
Portugal | 90,3 Prozent |
Niederlande | 89,2 Prozent |
Luxemburg | 88,7 Prozent |
Österreich | 87,1 Prozent |
Dänemark | 84,0 Prozent |
Griechenland | 83,6 Prozent |
Italien | 81,7 Prozent |
Spanien | 80,3 Prozent |
Frankreich | 74,4 Prozent |
Slowakei | 69,4 Prozent |
Tschechien | 65,2 Prozent |
Slowenien | 63,3 Prozent |
Finnland | 63,2 Prozent |
Belgien | 61,9 Prozent |
Island | 59,1 Prozent |
Vereinigtes Königreich | 58,1 Prozent |
Schweden | 56,2 Prozent |
Norwegen | 55,7 Prozent |
Lettland | 55,3 Prozent |
Deutschland | 52,9 Prozent |
Schweiz | 50,7 Prozent |
Irland | 39,9 Prozent |
Polen | 36,5 Prozent |
Estland | 33,8 Prozent |
Litauen | 30,7 Prozent |
Quelle: OECD
Nettoersatzquote in Deutschland niedriger als anderswo – aber nicht unbedingt aussagekräftig
Im OECD-Durchschnitt (inklusive nicht-europäischer Staaten) liegt die Nettoersatzquote eines Durchschnittsverdieners im normalen Rentenalter bei 62,4 Prozent. Damit liegt Deutschland mit einer Nettoersatzquote von 52,9 Prozent unter dem Durchschnitt. Innerhalb Europas befinden sich nur noch die Schweiz, Irland, Polen, Estland und Litauen darunter.
Allerdings sind die Daten auch mit Vorsicht zu genießen: So sagt die Nettoersatzquote allein noch nichts darüber aus, wie die Rentenzahlungen in absoluten Zahlen in den Ländern aussehen. Deutsche Rentner müssen also nicht unbedingt ärmer sein, als die in anderen Ländern. Verschiedene Faktoren wie die Lebenshaltungskosten werden zum Beispiel gar nicht berücksichtigt.