Der Bundesfinanzhof hat am 31. Mai zwei wegweisende Urteile zur Doppelbesteuerung der Rente verkündet. Viele Deutsche wollen wissen, wie es in der Politik nun weitergeht.
Um eine mögliche Doppelbesteuerung der Rente wird in vielen Fällen seit Jahren gestritten. Zuletzt hatte der Bundesfinanzhof am 31. Mai wie berichtet zwei wegweisende Urteile* veröffentlicht. Geklagt hatten gegen die Rentenbesteuerung zwei Rentner, ein ehemaliger Steuerberater aus Baden-Württemberg und ein hessischer Zahnarzt.
Streit um Doppelbesteuerung der Rente: Wegweisende Urteile des Bundesfinanzhof
Der Bundesfinanzhof hat deutlich gemacht, dass er das Problem einer überhöhten Steuerlast für Rentner erst in der Zukunft sieht, nicht aktuell bei den heutigen Rentnern, wie die Deutsche Presse-Agentur anlässlich der Urteile berichtet hatte. „Obwohl das höchste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof (BFH) in München, zwei Klagen von Rentnern gegen die Besteuerung ihrer Altersbezüge abgewiesen hat, haben die beiden Urteile weitreichende Folgen für Tausende künftige Rentner“, betonten zudem die Experten von Stiftung Warentest. „Denn jetzt ist eindeutig klar, dass künftige Rentnergenerationen viel eher in die doppelte Besteuerung durch den Systemwechsel bei der Rentenbesteuerung seit 2005 rutschen als heute“, hieß es in einer Mitteilung auf Test.de (Stand: 4. Juni) anlässlich der genannten Urteile. Die obersten Finanzrichter hätten erstmals festgelegt, wie genau gerechnet werden muss, ob jemand im Ruhestand doppelt Steuern zahlt. „Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung dürfen weder der Grundfreibetrag noch die Steuerabzüge für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge als steuerfreie Rentenbezüge in die Berechnung mit einfließen (Az. X R 33/19).“
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Warum sind die Bundesfinanzhof-Urteile so wichtig?
Anlass der beiden Klagen war die seit 2005 laufende Umstellung der Rentenbesteuerung, die 2040 abgeschlossen sein soll. Vor 2005 wurden „vorgelagert“ die Rentenbeiträge der Arbeitnehmer besteuert, seither läuft die Umstellung auf eine „nachgelagerte“ Besteuerung der ausgezahlten Rente, analog zu den Beamtenpensionen. Daran hat der Bundesfinanzhof nichts Grundsätzliches auszusetzen, wie die dpa ebenfalls anlässlich der genannten Urteile berichtet hatte. Strittig sei jedoch die konkrete Ausgestaltung der 35-jährigen Übergangsphase. In dieser Zeit steigt schrittweise die Besteuerung der ausgezahlten Rente, während die Steuerlast der Rentenbeiträge während des Arbeitslebens sinkt. Diese werden nach dem derzeitigen Plan ab 2025 vollständig steuerbefreit sein, die ausbezahlten Renten müssen ab 2040 voll versteuert werden.
Doch die Beiträge werden zuvor nur 15 Jahre lang voll absetzbar sein. Da ein Arbeitsleben normalerweise sehr viel länger dauert als 15 Jahre, argumentieren Kritiker dpa zufolge seit Jahren, dass sich allein aus dieser Tatsache eine verbotene doppelte Besteuerung von Renten und Beiträgen ergebe.
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Bundesfinanzministerium will Steuern für Rentner senken
Auf die Verkündung der beiden Urteile durch den Bundesfinanzhof hatte das Bundesfinanzministerium noch am selben Tag reagiert: In der kommenden Wahlperiode solle zusammen mit einer Reform der Einkommensteuer auch die Besteuerung der Rentenbeiträge in Angriff genommen werden, hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am 31. Mai in Folge der genannten BHF-Urteile unter anderem angekündigt. Viele Fragen hierzu sind allerdings noch offen. Die potenziellen Auswirkungen auf die Staatskasse sind groß: In Deutschland beziehen 21 Millionen Menschen Rente. Wer wann wie profitieren könnte, ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig unklar, wie dpa (Stand: 31. Mai) schrieb. „Unmittelbare Auswirkungen für die Rentnerinnen und Rentner ergeben sich aus den heutigen Entscheidungen nicht“, hatten Anja Piel, die Chefin der Deutschen Rentenversicherung und der alternierende Vorsitzende Alexander Gunkel, der Nachrichtenagentur zufolge zum Zeitpunkt erklärt.
Streit um Doppelbesteuerung der Rente: Viele Klagen anhängig
Aktuell gibt es etwa 142.000 Klagen von Rentnern gegen ihre Steuerbescheide, wie laut dpa (Stand: 31. Mai) aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine FDP-Bundestagsanfrage hervorging. Die Erfolgschancen dieser Klagen dürften mit den Urteilen nicht gestiegen sein, schrieb die Nachrichtenagentur, da der Bundesfinanzhof die Gefahr einer überhöhten Steuerlast für Rentner erst in der Zukunft sehe.
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Bund der Steuerzahler drängt auf schnellstmögliche Änderungen
Der Bund der Steuerzahler, der die Klagen unterstützt hatte, drängte auf schnellstmögliche Änderungen seitens der Politik: „Das höchste deutsche Steuergericht hat unmissverständlich klargemacht: Der Gesetzgeber muss umgehend nachbessern, damit eine rechtmäßige Renten-Besteuerung sichergestellt wird“, zitierte die Nachrichtenagentur Verbandspräsident Reiner Holznagel.
Nach Ansicht der Lohnsteuerhilfe Bayern e. V. (Lohi) müssten „in einem ersten Schritt die Beiträge ab sofort vollständig steuerlich absetzbar sein, nicht erst ab 2025“, heißt es in deren Mitteilung vom 15. Juni. „Weiterhin sollte in Betracht gezogen werden, die Besteuerung der Rente bis zum Jahr 2070 zu strecken, um Rentengerechtigkeit für zukünftige Rentnergenerationen zu schaffen“, so die Forderung. (ahu) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
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Quellen: dpa, Stiftung Warentest/Test.de, Lohnsteuerhilfe Bayern e.V.