Zum dritten Mal in Folge endet ein Werder-Spiel 3:0 – nur diesmal zuungunsten von Bremen. Gegen Darmstadt fehlte dem Team im Spiel nach vorne nicht nur der Mut, sondern vor allem Präsenz im Mittelfeld, analysiert unser Taktik-Kolumnist Tobias Escher.
Kehrt ein Trainer zurück an eine frühere Wirkungsstätte, kann das Segen und Fluch zugleich sein. Segen, weil der Trainer seine frühere Mannschaft genau kennt – und damit auch dessen Schwächen. Fluch, weil der Abgang des Trainers vielleicht noch nachhallt – und gegnerische Spieler wie Fans auf Rache sinnen. Markus Anfangs Rückkehr nach Darmstadt entpuppte sich als Fluch. Nicht nur, dass die Fans im Stadion lautstark Stimmung machten gegen Werders neuen Coach. Auch spielerisch lief bei Anfangs neuem Team wenig zusammen. Werder Bremen stellte nie unter Beweis, dass Anfang die Schwächen seines Ex-Teams kennt.
Werder Bremen-Taktik gegen Darmstadt 98: Markus Anfang bleibt dem 4-3-3 treu
Anfang veränderte seine Startformation im Vergleich zum 3:0-Erfolg gegen Heidenheim nur auf einer Position: Niklas Schmidt rückte für Romano Schmid in die Startelf. Taktisch veränderte sich dadurch nichts: Werder Bremen startete in einer Mischung aus 4-3-3 und 4-2-3-1, Trainer Anfangs Lieblingsformation.
Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht stellte den Bremern ein 4-4-2-System entgegen. Stürmer Luca Pfeiffer ließ sich manches Mal fallen, sodass ein 4-2-3-1 entstand. Die Rollen im Spiel waren klar verteilt: Darmstadt zog sich zurück und überließ Werder Bremen den Spielaufbau. Am Ende des Spiels hatte Werder einen Ballbesitzanteil von 62% vorzuweisen. Diesen Ballbesitz konnten sie jedoch in der ersten Halbzeit nicht in Chancen ummünzen. Werder versuchte, sich mit einem 2-3-Aufbau an der ersten Pressinglinie der Darmstädter vorbeizuspielen. Die Außenverteidiger Jean-Manuel Mbom und Marco Friedl rückten dazu in die Halbräume neben Sechser Ilia Gruev. Werders Abwehrkette spielte zahlreiche Pässe untereinander.
Mittelfeld bei Werder Bremen? Fehlanzeige
Das Problem: Selten bis nie spielte Werders Viererkette Pässe nach vorne. Nicolai Rapp und Schmidt standen praktisch permanent im Deckungsschatten des gegnerischen Mittelfelds; Pässe auf sie waren nicht möglich. Gruev bewegte sich zwar vor der Abwehr viel, bekam aber kaum Zuspiele aus der Abwehrkette. In der ersten Halbzeit hatte er die viertwenigsten Ballkontakte aller Bremer vorzuweisen.
Die Abwehrspieler hatten selten eine Anspielstation vor sich. Selbst wenn der Ball mal ins Mittelfeld kam, spielten die Bremer Mittelfeldspieler ihn direkt wieder zurück in die Abwehr. Werder Bremen brach Angriff um Angriff ab. Darmstadt 98 konnte sich ganz darauf fokussieren, die Passwege ins Mittelfeld zu verschließen.
So blieb Werder häufig nur der Weg über die Flügel. Die Angriffe über die Seiten scheiterten jedoch an individuellen Schwächen: Mitchell Weiser tauchte auf der rechten Seite gänzlich unter, während Eren Dinkci auf der linken Seite nie an seinem Gegenspieler vorbeikam. Werder Bremen blieb auch über die Flügel harmlos.
Defensive von Werder Bremen im Prinzip sattelfest – aber mit Aussetzern
Werders risikoarmes Spielsystem hatte einen Vorteil: Dank ihrer 2-3-Staffelung standen nach einem Ballverlust stets fünf Spieler hinter dem Ball. Auch die übrigen Akteure kehrten zugig in die Defensivformation zurück. So gelang es Darmstadt nur selten, das Tempo der Flügelstürmer in Kontersituationen zu nutzen. Auch Darmstadt kam kaum vor das Tor. Doch noch vor der Pause gingen sie dank eines wahnwitzigen Distanzschuss-Tores von Fabian Holland in Führung (45.).
Nach der Pause verbesserte sich Werders Spiel. Das hatte zunächst keine taktischen, sondern personelle Gründe: Anfang tauschte beide Außenstürmer aus. Besonders der eingewechselte Schmid interpretierte seine Rolle recht frei, er tauchte immer wieder im Halbraum auf. Werder Bremen hatte mehr Präsenz im Mittelfeld als noch vor der Pause. Dennoch waren es die Darmstädter, die nachlegten. Dass dem 0:2 (65.) ein missglückter Rückpass vorausging, war fast schon symbolisch: Werder spielte an diesem Nachmittag sogar dann den Rückpass, wenn dieser gar nicht angebracht war.
Die Raute bei Werder Bremen kommt gegen Darmstadt zu spät
Niclas Füllkrug wurde bereits vor dem 0:2 eingewechselt, Schmidt musste gehen. Die Effekte seines Wechsels zeigten sich erst in der Folge: Werder Bremen stellte mit diesem Wechsel auf ein offensives 4-1-3-2-System um. In der neuen Formation passte die Besetzung der Halbräume wesentlich besser. Werder gelangte nun häufiger in die gegnerische Hälfte. Das lag aber nicht zuletzt an einem Gegner, der nach dem 3:0 (71.) etwas weniger giftig verteidigte. Acht von insgesamt sechzehn Torschüssen gab Werder erst ab, nachdem Darmstadts dritter Treffer die Partie bereits entschieden hatte.
Anfangs Rückkehr zum Ex-Klub fiel ernüchternd aus. Das Mittelfeld bleibt die große Baustelle der Bremer. Erst als alles verloren war, fand Werder Mittel und Wege, die erste Pressinglinie des Gegners zu überspielen. Das Ziel Aufstieg – es ist in dieser Form weit entfernt. (tbs)