Vor dem Kracher in der Champions League sprach Jan Platte mit tz.de über Hansi Flick bei den Katalanen. Der DAZN-Kommentator verrät zudem, wo Thomas Müller zukünftig sieht.
Für Hansi Flick ist die Partie ein Rendezvous mit seiner alten Liebe FC Bayern. Wie groß ist sein Verdienst, dass es beim FC Barcelona wieder richtig rund läuft?
Es war nicht zu erwarten und es überrascht nicht wenige Leute in Barcelona, dass es mit Hansi Flick so herausragend gut läuft. Aber es ist hundertprozentig sein Verdienst, weil er es geschafft hat, dass es im Barça-Kader eigentlich keinen Spieler gibt, der außer Form ist. Viele Spieler sind unter Flick wieder auf ihrem Peak, wie beispielsweise ein Robert Lewandowski. Oder spielen derzeit so gut, wie sie es noch nie taten, siehe Raphinha. Das ist wirklich bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass der FC Barcelona noch auf viele Stars verletzungsbedingt verzichten muss. Der Jugendkurs, den der Verein – auch aufgrund der finanziellen Schieflage – nun wieder eingeschlagen hat, wird von Flick komplett mitgetragen und gefördert. Die ersten Früchte erntet er jetzt schon.
Auch Lamine Yamal hat nach der überragenden EM im Sommer den nächsten Schritt gemacht.
Ihm hat es unter Xavi schon Spaß gemacht – aber unter Flick macht es ihm mindestens genauso viel Freude. Die erfolgreiche Europameisterschaft hat ihm mit Sicherheit auch nochmal einen Schub gegeben. Inigo Martinez hat kürzlich über ihn gesagt, dass in Lamine Yamals Kopf alles sehr schön möbliert ist. Will heißen: Da gibt es keine Sorgen, dass der abzuheben droht. Er hat einfach Spaß bei dem, was er macht. Er ist ein absolutes Ausnahmetalent, das stellt er auch in dieser Saison wieder unter Beweis. Elf Scorer-Punkte wettbewerbsübergreifend und das in dem Alter sind wirklich herausragend. Wann immer er auf dem Platz steht, passiert etwas.
Wie will der FC Bayern ihn am Mittwoch stoppen?
Ich glaube, der FC Barcelona stellt sich die selbe Frage, wenn sie bei den Bayern auf die Flügel blicken und dann Namen wie Serge Gnabry, Michael Olise, Kingsley Coman oder jetzt auch wieder Leroy Sané lesen. Aber die Antwort lautet: Es geht nur gemeinsam. Unter Vincent Kompany verteidigt man zwar auffällig hoch, aber man tut es gemeinsam. Zudem ist Alphonso Davies in einer so guten Form, dass beim FC Bayern keine Panik ausbrechen muss, wenn Lamine Yamal am Ball ist. Außerdem: Bereits gegen den VfB Stuttgart am Samstag war zu sehen, dass die Bayern beim Verteidigen gefühlt zehn Prozent weniger Risiko gehen und ihr Spiel generell weniger Spektakel bot. Vorsichtig formuliert kann man von einem gewissen Reifeprozess sprechen, der unter Kompany jetzt einzusetzen scheint.
Generell scheint es unter Kompany verhältnismäßig ruhig zu sein an der Säbener Straße. Was macht er anders als seine Vorgänger Julian Nagelsmann oder Thomas Tuchel?
Er ist in jedem Fall nicht so offenherzig im Umgang mit den Journalisten. Das erfährt man bei der wöchentlichen Pressekonferenz jedes Mal aufs Neue. Es wird viel, viel weniger über einzelne Spieler gesprochen. Das erinnert sehr an Pep Guardiola, der ja bekanntlich am liebsten mit den Seinen spricht und sich selten medial groß äußert. Vincent Kompany macht das wirklich sehr gut, weil das gut bei der Mannschaft anzukommen scheint und so eine Stimmung im Team herrscht, die man braucht, um erfolgreich zu sein. Die Sachen, die man mit dem Coach bespricht, bleiben intern und der Trainer redet nicht über einzelne Spieler. Man hat den Eindruck, dass das zwischen Kompany und dem FC Bayern richtig gut gehen kann.
Wie wichtig wäre ein Sieg des FC Bayern beim FC Barcelona im Hinblick auf die komplette Saison?
Wenn die Münchner in Barcelona gewinnen sollten, dann wäre das ein Signal nach innen, um das eigene Selbstvertrauen zu festigen. Aber es wäre auch ein dickes Signal nach außen, weil die Partie FC Barcelona gegen den FC Bayern einfach groß ist. Selbst in der Gruppenphase der Champions League.
Die Handschrift von Kompany ist beim FC Bayern schon nach wenigen Wochen erkennbar. Einer, der sinnbildlich dafür steht, ist Aleksandar Pavlović. Wie schwer trifft die Bayern nun sein Ausfall?
Jetzt schlägt die Stunde von Joao Palhinha! Sehr lobenswert bei ihm ist, wie er sich in den vergangenen Wochen verhalten hat. Es wurde ja schon versucht, von Außen zum Problem zu machen, dass der FC Bayern ihn für so viel Geld geholt hat und ihm ein Nachwuchsspieler vorgezogen wurde. Kompany aber hat das immer sehr schlüssig erklärt. Nun aber kann Palhinha zeigen, wie gut es gemeinsam mit Joshua Kimmich im Zentrum harmonieren kann. Es braucht wenig Fantasie, um zu sagen, dass das sehr gut klappen könnte. Weil der Portugiese einer ist, der in erster Linie daran denkt, abzusichern und Kimmich so seine Kreativität noch einmal mehr zur Geltung bringen kann. Pavlovic ist dem DFB-Kapitän vom Spielertyp her deutlich ähnlicher. Daher ist es sehr gut vorstellbar, dass Palhinha in solchen großen Spielen, wie das jetzt beim FC Barcelona am Mittwoch, beim FC Bayern reinpasst. Auch, wenn es natürlich bitter für Pavlovic ist, dass er in den kommenden sechs Wochen zuschauen muss.
Barca gegen Bayern ist auch ein Duell zweier Teams, die gerne den Ball haben. Wer wird ihn am Mittwoch öfter haben?
Beide Teams spielen einen ähnlichen Fußball, dennoch sehe ich den FC Barcelona in der Außenseiterrolle. Beide Teams agieren mit ihrer letzten Kette sehr, sehr hoch. Da haben die Bayern ihren Stil, wie bereits erwähnt, zuletzt etwas angepasst. Dennoch wird es viele Bälle hinter die letzte Kette geben – von beiden Seiten. Da geht es dann um Restverteidigung und solche Sachen. Dazu werden sich sowohl Hansi Flick als auch Vincent Kompany ihre Gedanken machen, wie man das am besten bespielt. Zum Thema Ballbesitz: Das ist eine der Schlüsselfragen, weil beide Teams ständig den Ball haben wollen. Vorstellbar ist, dass sich der FC Bayern in dieser Partie ein Stück weit zurücknimmt und Barça ein bisschen machen lässt. Mit dem Wissen, dass es für die Münchner so große Räume gibt, wie sie sie in dieser Saison noch nicht vorgefunden haben. Zudem muss man wissen, dass der FC Bayern für Barcelona inzwischen die „Bestia Negra“ ist. Die letzten sechs Duelle in der Champions League haben allesamt die Münchner gewonnen – teilweise sogar absurd hoch. In den letzten vier Partien hat Barça nicht mal ein Tor geschossen. Das wird die große Reifeprüfung für Flick und den FC Barcelona, zumal am Wochenende der „Clásico“ gegen Real Madrid ansteht.
Zum Abschluss: Karl-Heinz Rummenigge warb kürzlich damit, Thomas Müller nach dessen Karriereende – wann auch immer das sein wird – an den Verein zu binden. Welche Rolle könnte er einnehmen?
Er unterhält die Medien seit Jahr und Tag an der Säbener Straße, daher kann ich mir schwer vorstellen, dass er in der Medienabteilung des FC Bayern landen wird. (lacht) Thomas Müller kann ich mir sehr, sehr gut in einer verantwortungsvollen Position bei den Bayern vorstellen. Mit der Art und Weise, wie er den Klub lebt, wie er den Klub kennt, wie er den Klub erklärt und wie er auf charmanteste Art und Weise schwierigste Gemengelagen moderieren kann, wäre er da perfekt aufgehoben. Daher macht Thomas Müller ja nur Sinn, zumal der FC Bayern in der Vergangenheit auch gezeigt hat, dass große Spieler auch große Karrieren im Verein haben können, wenn sie die Fußballschuhe an den Nagel gehängt haben. Allerdings: Thomas Müller sieht sich noch als Spieler und möchte so in der näheren Zukunft auch noch wahrgenommen werden. Völlig zu Recht, wie ich finde.
Interview: Florian Schimak