Jogi darf bleiben: So will der DFB-Coach den Neuaufbau gestalten

Joachim Löw gibt auch weiterhin den Ton im Nationalteam an.
 ©dpa / Christian Charisius

Weiter "#zsmmn": Joachim Löw bleibt trotz der historischen WM-Pleite Bundestrainer. Das erste Ziel: Die EM 2020.

Frankfurt - Joachim Löw ließ die Fußball-Nation sechs Tage lang zappeln, dann stieg weißer Rauch auf: Der 58-Jährige bleibt trotz des historischen deutschen WM-Desasters Bundestrainer und wird den Neuaufbau der Nationalmannschaft mit Blick auf die EM 2020 anleiten. Das vermeldeten am Dienstag mehrere Medien übereinstimmend. Eine Bestätigung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) blieb zunächst aus.

Löw hatte seinen Vertrag erst im Mai bis 2022 verlängert, sich nach nach dem erstmaligen Vorrunden-Aus in der 84-jährigen WM-Geschichte des DFB-Teams aber Bedenkzeit erbeten. Er wolle sich als Trainer hinterfragen, teilte er mit - und das tat er, beginnend mit der Heimkehr nach Freiburg am vergangenen Donnerstag, einen Tag nach dem blamablen 0:2 gegen Südkorea.

DFB-Führungsriege steht geschlossen zu Löw

Am Freitag sprach sich das DFB-Präsidium in einer Telefonkonferenz einhellig für Löw aus. Am Dienstag kamen der Bundestrainer und Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff in Frankfurt mit der Verbandsspitze um Präsident Reinhard Grindel zusammen. Dort wurde eine Mitteilung vorbereitet, die der DFB am Nachmittag verbreiten lassen wollte.

"Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das der DFB weiterhin geschlossen in mich setzt, und ich spüre trotz der berechtigten Kritik an unserem Ausscheiden auch generell viel Rückhalt und Zuspruch“, sagte der 58-Jährige am Dienstag. „Auch meine Enttäuschung ist nach wie vor riesig. Aber ich möchte nun auch mit ganzem Einsatz den Neuaufbau gestalten. Ich werde gemeinsam mit meinem Team analysieren, Gespräche führen und zum Start der neuen Saison die richtigen Schlüsse ziehen“, klingt der DFB-Coach voller Tatendrang

Löw steht vor einer Herkulesaufgabe: Er muss den Umbruch in der Mannschaft forcieren, zugleich aber aus den beiden Lagern Etablierte und Junge wieder eine Einheit schaffen. Dabei ist der Ergebnisdruck sofort hoch: Am 6. September trifft die DFB-Elf in München auf Frankreich, es ist das erste Duell in der neu geschaffenen Nations League. Dort sind zudem die Niederlande deutscher Gegner - der Gruppenletzte steigt ab.

Löws Autorität in der Mannschaft schwindet

Die Machtbasis von Löw und Bierhoff (Vertrag bis 2024) steht nach dem WM-Desaster auf tönernen Füßen. Vor allem die Sorglosigkeit der sportlichen Leitung habe zur WM-Pleite geführt, berichtet die FAZ aus "Spielerkreisen" und nach Gesprächen mit zwei "erfahrenen Kennern der sportlichen und organisatorischen Verhältnisse in der Nationalmannschaft und beim DFB".

Löw habe demnach den Leistungsgedanken in der Mannschaft ausgehebelt, was zur Spaltung der Mannschaft beigetragen habe. Dass Löw Kapitän Manuel Neuer nach dessen Verletzung einen Sonderstatus einräumte, soll "für einige Spieler" ein Problem gewesen sein. Überhaupt habe Löw älteren Verdiensten den Vorrang eingeräumt, jüngere Spieler seien für ihren Einsatz im Training nicht honoriert worden.

Weitere Kritikpunkte der namentlich nicht genannten Insider: die Auswahl der Testspielgegner in der Vorbereitung; die Hybris Bierhoffs bei der Quartierwahl ("Spielplan von hinten gedacht"); der Besuch der Bundeskanzlerin am Vorabend der endgültigen Kader-Benennung im Trainingslager in Südtirol; der Umgang mit Mesut Özil; und, und, und.

Grindel: Der Verband traut Joachim Löw den Umbruch zu

Dennoch gab es beim DFB offenbar nie Zweifel an der weiteren Zusammenarbeit. Grindel bekundete, der Verband traue Löw den erforderlichen Umbruch weiter zu. Immerhin forderte er eine umfassende Analyse des Scheiterns ein, und auch Löw ließ Veränderungswillen durchblicken. "Es braucht tiefgreifende Maßnahmen, es braucht klare Veränderungen", sagte er. Diese wird er nun federführend herbeiführen müssen.

Löw hatte das Amt nach dem Sommermärchen 2006 von Jürgen Klinsmann übernommen. Bei allen großen Turnieren führte er die DFB-Auswahl mindestens ins Halbfinale - bis zur WM in Russland. Höhepunkt seiner Amtszeit war der Gewinn des WM-Titels 2014 in Brasilien. Im vergangenen Jahr führte er eine bessere B-Elf zum Confed-Cup-Sieg, nun scheiterte seine hoch gehandelte Mannschaft kläglich.

Die Mannschaft wird ein neues Gesicht bekommen

Auch wenn noch kein Weltmeister zurücktreten möchte: Der Umbruch muss längerfristig radikal ausfallen. Von den neun Rio-Champions, die Löw mit ins unpopuläre WM-Quartier nach Watutinki genommen hatte, wären bei der WM 2022 in Katar nur Julian Draxler und Matthias Ginter noch unter 30 Jahre alt.

"In vier Jahren sind Spieler wie Kimmich, Werner, Sane, Süle, Brandt und Goretzka auf dem Zenit ihres Könnens. Das ist für mich spannend und eine reizvolle Aufgabe", sagte Löw vor der WM im SID-Interview. Der Bundestrainer glaubt an eine neue "Goldene Generation" - und daran, dass er auch diese auf den Gipfel führen kann.

SID

Der "Spiegel" hat einen Bericht mit zahlreichen Enthüllungen veröffentlicht - unter anderem von einer Grüppchenbildung im DFB-Team

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