Das DFB-Team kommt gegen die Ukraine im EM-Test nicht über ein Remis hinaus. Eine Aktion zwischen Manuel Neuer und Julian Nagelsmann lässt tief blicken.
Nürnberg – Genau 550 Tage lagen zwischen dem 117. und dem 118. Länderspiel von Manuel Neuer.
Anderthalb Jahre hat der Keeper des FC Bayern also warten müssen, bis er wieder das Tor der Nationalmannschaft hüten durfte. Sein letztes Spiel im DFB-Dress absolvierte Neuer am 1. Dezember beim 4:2-Erfolg über Costa Rica bei der WM 2022. Was danach passierte, ist allgemein bekannt.
Neuer brach sich beim Verarbeiten des WM-Frusts beim Skitouren im Dezember 2022 das Schien- und Wadenbein. Der 38-Jährige kämpfte sich zurück auf den Platz, musste sein DFB-Comeback im März jedoch abermals verschieben.
Manuel Neuer feierte Comeback im DFB-Team: 550 Tage Pause sind vorbei
Im vorletzten DFB-Test vor der EM 2024 gegen die Ukraine in Nürnberg nun also die große Rückkehr! „Ich bin wieder froh im Kreise der Nationalmannschaft zu sein und wieder auf dem Platz gestanden zu haben“, schilderte Neuer in der Mixed Zone des Max-Morlock-Stadions nach der Partie seine Gefühlswelt: „Es hat sich sehr gut angefühlt heute.“
Die Mannschaft von Bundestrainer Julian Nagelsmann zeigte gegen den EM-Teilnehmer eine ansprechende Leistung, verpasste es aber, die Vielzahl von Torchancen auch zu nutzen. So blieb es am Ende bei einem torlosen 0:0. Neuer: „Wir haben uns leider nicht belohnt, trotz der vielen Aufwänden, den wir betrieben haben.“
Für Neuer und auch den Bundestrainer eine wichtige Erkenntnis: Immerhin die Null stand nach 90 Minuten im vorletzten EM-Test. Dabei hätte der Keeper fast dafür gesorgt, dass das DFB-Team kurz vor Schluss noch einen Treffer kassiert. Selbst ARD-Experte Bastian Schweinsteiger hatte für die Aktion kein Verständnis.
Zittermoment im Ukraine-Spiel: Neuer-Fauxpas bleibt unbestraft
„Ich habe Yarmolenko (den Ukraine-Angreifer, Anm. d. Red.) gar nicht gesehen auf der linken Seite“, beschrieb Neuer die Szene in der 90. Minute, als er weit vor dem eigenen Kasten einen Ball nicht konsequent klärte: „Dementsprechend war es für mich eine klare Situation, dass ich den Ball jetzt nach links chippe.“
Glück, dass der Ex-BVB-Star den Neuer-Fauxpas nicht bestrafte. Wer weiß, welche Diskussionen gefolgt wären, hätte das DFB-Team wegen eines Fehlers von Neuer die Partie verloren.
Denn: Bereits im Vorfeld sorgte diese Personalie beim DFB für Diskussionen! Neuer zeigte zum Saisonende ungewohnte Schwächen, patzte im CL-Halbfinale gegen Real Madrid entscheidend und sah auch am 34. Spieltag in Hoffenheim bei drei Gegentreffern ganz schlecht aus.
Bundestrainer Nagelsmann setzt voll auf Neuer – und geht damit gewisses Risiko
Nagelsmann stärkte Neuer aber am Montag demonstrativ den Rücken. Marc-André ter Stegen, der beim FC Barcelona eine überragende Saison spielte und zuletzt in einer ZDF-Doku erklärte, Nagelsmanns frühzeitige Entscheidung pro Neuer sei „ein Schlag ins Gesicht“ gewesen, bleibt mal wieder nur die Rolle des Zuschauers bei einem großen Turnier.
„Das ist ein bekanntes Problem auf der Torwartposition“, erklärte Neuer: „Es gab noch keinen Trainer, der zwei Torleute auf einmal hat spielen lassen. Gerade auf der Torwartposition ist es meistens so, dass sich immer rechtzeitig festgelegt wird, damit auch der Torwart, der dann spielt, die gewisse Sicherheit und Rückendeckung bekommt. Ich habe das Vertrauen bekommen vom Trainerteam. Marc kennt die Situation leider so, weil er eine klasse Torwart ist, der gute Leistungen gezeigt hat. Aber das ist auch ein Teil des Business.“
Wie sehr der Bundestrainer auf Neuer setzt, zeigte eine Aktion während der Ukraine-Partie. Als das Spiel kurz unterbrochen war, holte sich Nagelsmann seinen Keeper an die Seitenlinie, um ihm neue taktische Anweisungen mit auf den Weg zu geben. Neuer teilte diese umgehend seinen Teamkollegen auf dem Rasen mit.
Vorfall zwischen Neuer und Nagelsmann macht eine Sache deutlich
Pikant: Nagelsmann beorderte nicht Kapitän Ilkay Gündogan zu sich, sondern Neuer. Der Keeper aber hat offiziell gar kein Amt mehr im DFB-Team inne. Gündogans Stellvertreter sind Joshua Kimmich und Thomas Müller, wie der Bundestrainer am Montag noch einmal deutlich machte.
Das zeigt aber: Neuer ist weiterhin der verlängerte Arm von Nagelsmann! Auch zu dessen Zeit beim FC Bayern holte er den Keeper während der Partie oft zu sich, um ihm Taktik-Anweisungen zu geben. Damals aber war Neuer sein Kapitän.
Doch offenbar braucht Manuel Neuer die Binde nicht, um Führungsspieler in der Nationalmannschaft zu sein. Hoffentlich rechtfertigt der 38-Jährige das Vertrauen des Bundestrainers mit starken Leistungen bei der EM. Andernfalls könnte die Torhüter-Diskussion beim DFB groß entflammen. (smk)
Aus dem Max-Morlock-Stadion in Nürnberg berichtet Florian Schimak