Deutschland ist bei der Heim-EM im Viertelfinale gegen Spanien ausgeschieden. Der Schuldige steht für viele Fußballfans fest: Schiedsrichter Anthony Taylor verwehrte dem DFB-Team einen Strafstoß.
Stuttgart – Die Handspielregel ist allen Beteiligten im Fußball ein Ärgernis. Ständig werden die Maßstäbe verändert, anhand derer die Schiedsrichter binnen Sekundenbruchteilen entscheiden müssen. Am Freitagabend bewertete Anthony Taylor ein Handspiel von Marc Cucurella, der einen Schuss von Jamal Musiala im dramatischen EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien mit der linken Hand blockte, nicht als strafwürdig.
Diese Entscheidung folgte wohl der von der UEFA vorgegebenen Linie, weswegen sich auch der Videoassistent nicht bei Taylor meldete, lässt sich mit gesundem Fußballverstand aber nur schwerlich in Einklang bringen. „Wenn Jamal das Ding in den Mittelrang schießt, dann würde ich keinen Elfmeter pfeifen. Wenn der Ball klar aufs Tor geht, stoppt er den mit der Hand, das ist Fakt“, ärgerte sich etwa Julian Nagelsmann über die Haltung von Taylor. Wer ist der englische Schiedsrichter, der das Ausscheiden des DFB zumindest teilweise auf den Weg gebracht hat?
Schiedsrichter Anthony Taylor war früher Gefängniswärter
Taylor ist 45 Jahre alt und pfeift seit elf Jahren auf höchstem Niveau: 2013 wurde er in die FIFA-Liste der Topschiedsrichter aufgenommen. Der Mann aus Manchester gehört zu den angesehensten Unparteiischen Europas und leitet regelmäßig Spitzenspiele der Premier League sowie in den verschiedenen internationalen Klubwettbewerben. Dabei geht Taylor der Schiedsrichterei hauptberuflich nach.
Bevor er diesen Schritt wagte, war Taylor als Gefängniswärter aktiv. Der Umgang mit Rudelbildungen dürfte dem Familienvater also bekannt sein. In seiner Karriere als Unparteiischer hat Taylor schon diverse Highlights erlebt, leitete unter anderem zwei Finalspiele im englischen FA-Cup, begleitete den Sieg des FC Bayern im UEFA Super Cup 2020 gegen den FC Sevilla oder das Endspiel der FIFA Klub-WM 2022, das Real Madrid gegen Al-Hilal aus Saudi-Arabien gewann.
José Mourinho unterstellte Taylor Parteilichkeit
Die größte Bekanntheit hat Taylor freilich mit seiner Spielleitung des Finals um die Europa League zwischen dem FC Sevilla und der AS Rom im vergangenen Jahr erlangt. In einer ruppigen Partie zückte der Unparteiische alleine 14 Mal die Gelbe Karte. Beide Seiten beschwerten sich immer wieder vehement über Entscheidungen von Taylor, der unter anderem in einer Handspielszene im Strafraum von Sevilla, die den Geschehnissen am Freitag nicht gänzlich unähnlich war, weiterspielen ließ.
Die Leistung von Taylor wurde nach der Partie kontrovers diskutiert. Während etwa das deutsche Fachmagazin kicker die Bestnote von 1,0 an den Referee vergab, machte Roms Cheftrainer José Mourinho im Engländer den Hauptschuldigen für die Niederlage seiner Mannschaft nach Elfmeterschießen aus. Der Starcoach kritisierte Taylor öffentlich für eine angeblich „skandalöse“ Entscheidung und lauerte ihm sogar im Parkhaus des Stadions in Budapest auf, um ihn persönlich zur Rede zu stellen. In einem Interview unterstellte Mourinho Taylor unter anderem, er habe absichtlich zugunsten der spanischen Mannschaft gepfiffen.
Taylor hat auch Vorgeschichte mit Cucurella
Mourinho schürte Ressentiments gegen den Unparteiischen, der daraufhin am Flughafen bei der Abreise mit seiner Familie von Fans der AS Rom verbal attackiert wurde. Wegen seiner Ausraster gegenüber dem Schiedsrichter wurde Mourinho übrigens später für vier Spiele gesperrt. Taylor indes wurde in der abgelaufenen Saison für einige wichtige Spiele im Europapokal nominiert, leitete unter anderem je ein Viertel- und Halbfinale der Champions League.
In Deutschland weniger bekannt ist indes, dass den Unparteiischen auch eine kuriose Vorgeschichte mit Cucurella verbindet. Beim Spiel des FC Chelsea gegen die Tottenham Hotspur im Jahr 2022 ließ Taylor das Spiel weiterlaufen, als der Lockenkopf von einem Gegenspieler an den Haaren zu Boden gezogen wurde. Sekunden später erzielte Tottenham ein spätes Ausgleichstor. Fans von Chelsea starteten seinerzeit eine Petition, die weitere Einsätze von Taylor bei Spielen der Blues verhindern sollte. Beim DFB ist wohl kaum mit derartigen Reaktionen zu rechnen.