Nur Viertelfinale? Warum die EM für das DFB-Team trotzdem ein Erfolg war

Die deutsche Nationalmannschaft muss das Aus bei der Heim-EM im Viertelfinale gegen Spanien verkraften. Das Turnier kann dennoch als Erfolg gelten.

Herzogenaurach – Die 1:2-Niederlage gegen Spanien wird Fußballdeutschland noch lange beschäftigen. Die Diskussionen über das womöglich strafwürdige Handspiel von Marc Cucurella beim aussichtsreichen Schuss von Jamal Musiala werden leidenschaftlich geführt, aber auch die mangelhafte Chancenverwertung von Kai Havertz und Niclas Füllkrug thematisiert.

Völlig losgelöst von der Bewertung des Abschneidens beim Heim-Turnier ist eine wichtige Erkenntnis der EM, dass die Nationalmannschaft im eigenen Land wieder große Emotionen auslöst. Unter Bundestrainer Julian Nagelsmann ist nicht weniger als die Versöhnung zwischen Fußballfans und dem DFB-Team gelungen. Das scheint wertvoller als ein Weiterkommen gegen Spanien, weil der Schiedsrichter auf den Elfmeterpunkt zeigt.

Julian Nagelsmann schaffte, woran Löw und Flick gescheitert sind

Der große Gewinner der EM aus deutscher Sicht heißt Nagelsmann. Der Bundestrainer hat seine Schlüsse aus dem Tiefpunkt im Herbst gezogen und damit geschafft, woran die Amtsvorgänger Joachim Löw und Hansi Flick letztlich gescheitert sind. Nagelsmann hatte keine Angst vor unpopulären Entscheidungen und großen Namen, verzichtete im Sinne des Teamgedankens auf qualitativ hochwertige Kicker, die für Unruhe hätten sorgen können.

Der im Frühjahr eingeleitete Umbruch im Kader kam gerade rechtzeitig, um zur Europameisterschaft einen verschworenen Haufen entstehen zu lassen, in dem Klubzugehörigkeit und Gedanken an eine persönliche Veränderung nach dem Turnier keine Themen waren, die vom Wesentlichen abgelenkt hätten. Dem DFB kam dabei auch zugute, dass die EM im Gegensatz zu vorherigen Turnieren nicht gesellschaftspolitisch überfrachtet wurde.

Des Bundestrainers emotionaler Appell an die Gesellschaft

Dabei wäre Nagelsmann mit seiner emotionalen Intelligenz wahrscheinlich am ehesten zuzutrauen gewesen, die Mannschaft auch durch derart unruhige Gewässer zu leiten. Was von der EM bleibt, muss sich nicht auf dem Platz zugetragen haben: Der Auftritt des Bundestrainers am Tag nach dem Ausscheiden war im positiven Sinne denkwürdig, weil er die Trauer über den unglücklichen Verlauf des Viertelfinals in einen leidenschaftlichen Appell an die Gesellschaft umwandelte, ohne dabei oberlehrerhaft zu wirken und die Wirkmächtigkeit des Fußballs zu überhöhen.

Aus sportlicher Sicht darf das Viertelfinale bei einer Heim-EM trotz der Enttäuschungen der letzten Jahre nur eine Mindestanforderung darstellen. Beim nüchternen Blick schwarz auf weiß ist zu viel Lob für das DFB-Team nicht angebracht. Jedoch bedarf auch die sportliche Sicht einer Einordnung, die über die Elfmeterszene und vergebene Chancen hinausgeht. Hatte Deutschland nicht einfach nur Pech, dass es schon im Viertelfinale gegen Spanien ging?

Ein Aus gegen Spanien ist keine Schande

Diese Begegnung hielt in Sachen Emotionalität, Wucht und Intensität alles, was sie im Vorfeld versprach, als sie vielfach als vorgezogenes Endspiel bezeichnet wurde. Wer am Freitag nach dem deutschen Viertelfinale auch das lahme 0:0 zwischen Frankreich und Portugal verfolgte, muss das Lospech des DFB umso stärker verflucht haben. Der Eindruck könnte sich am Samstag verstärken, wenn der andere Turnierbaum ans Werk geht und unter anderem die bisher so enttäuschenden englischen Glücksritter gegen die Schweiz antreten, die in der deutschen Gruppe hinter dem Gastgeber gelandet war.

Dass die DFB-Auswahl gegen jeden anderen Gegner als Spanien im Viertelfinale bisweilen deutlich favorisiert gewesen wäre, liegt jedenfalls auf der Hand. Zum Sport gehört dazu, dass es derartige ‚Ungerechtigkeiten‘ geben kann. Sie sind bei der Einschätzung jedoch zwingend einzubeziehen. Wie die EM in Erinnerung bleibt, wird indes auch davon abhängen, wie es beim DFB-Team weitergeht.

Die Entwicklung unter Nagelsmann muss nun weitergehen

Mit Toni Kroos ist der Dreh- und Angelpunkt des Spiels zu ersetzen, aus der Stammelf sind außerdem Manuel Neuer und İlkay Gündoğan die logischen Kandidaten, auf die sich der perspektivische Blick richtet. Bundestrainer Nagelsmann hat schon forsch einen Angriff auf den WM-Titel in zwei Jahren angekündigt. An dieser Marschrichtung muss sich Deutschland messen lassen, es darf in der Zwischenzeit nicht den nächsten Herbstblues geben.

Durch die UEFA Nations League und die 2025 beginnende WM-Qualifikation gibt es gute Gelegenheiten, die Fortschritte unter Nagelsmann zu beobachten. Der Bundestrainer wird den Umbruch im Kader weiter konsequent verfolgen. Dabei ist ihm die volle Rückendeckung der Verbandsführung sicher, die Gefolgschaft seiner Spieler – und das Wohlwollen der Fußballfans, die sich wieder mit dem Auftreten ihres Nationalteams identifizieren können.

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