Saint-Denis - Portugal heißt der neue Europameister, doch gerechnet haben damit die wenigsten. Das Team um Cristiano Ronaldo gehört nun zu den wohl ungewöhnlichsten Titelträgern aller Zeiten.
Portugal ist Europameister. Erstmals kann sich die Nationalmannschaft einen internationalen Titel sichern, feiert somit den größten Erfolg seiner Geschichte. Doch das Team um Cristiano Ronaldo ist auch einer der ungewöhnlichsten Titelträger, den es jemals bei einer EM gegeben hat. Auf der Favoriten-Liste stand Portugal weder bei den Fans, noch bei den Experten ganz oben.
Warum Portugal zusammen mit den Sensations-Titelträgern Dänemark (1992) und Griechenland (2004) wohl der mitunter bemerkenswerteste Europameister der Geschichte ist, zeigen diese Fakten.
EM 2016: Portugal nur Dritter in "leichter" Gruppe
Wäre bei dieser EM noch alles so gewesen wie vor vier Jahren, dann wäre Portugal nach der Vorrunde vorzeitig nach Hause gefahren. Doch dank der Reform der UEFA und der Aufblähung der EM von 16 auf 24 Teams kam die Selecao 2016 doch noch in die K.o.-Runde. Denn diese Aufstockung verschaffte auch den vier besten Gruppendritten ein Ticket für das neu eingebaute Achtelfinale.
Portugal spielte in der Gruppe F zusammen mit Ungarn, Island und Österreich. Diese Gruppe galt vor dem Beginn der Endrunde als die mitunter einfachste und unattraktivste. Portugal galt zusammen mit Österreich als klarer Favorit.
Doch gleich im ersten Spiel gab es einen herben Dämpfer. Gegen Island reichte es trotz Führung nur zu einem 1:1-Remis. Gegen Österreich fielen gleich überhaupt keine Tore. Und gegen Ungarn musste Portugal gleich drei Mal einem Rückstand hinterherlaufen, so dass am Ende ein 3:3-Unentschieden auf dem Tableau stand.
Das Resultat: Portugal beendete die Gruppe hinter den Außenseitern Ungarn und Island auf Rang drei, rutschte aber als drittbester Gruppendritter hinter der Slowakei und Irland noch ins Achtelfinale. Und das nur dank des besseren Torverhältnisses.
EM 2016: Tabelle der Gruppendritten
Pl. | Land | Sp. | S | U | N | Tore | Diff. | Pkt | Gruppe |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1. | Slowakei | 3 | 1 | 1 | 1 | 3:3 | ±0 | 4 | B |
2. | Irland | 3 | 1 | 1 | 1 | 2:4 | −2 | 4 | E |
3. | Portugal | 3 | 0 | 3 | 0 | 4:4 | ±0 | 3 | F |
4. | Nordirland | 3 | 1 | 0 | 2 | 2:2 | ±0 | 3 | C |
5. | Türkei | 3 | 1 | 0 | 2 | 2:4 | −2 | 3 | D |
6. | Albanien | 3 | 1 | 0 | 2 | 1:3 | −2 | 3 | A |
EM 2016: Portugal gewinnt nur einmal regulär
Fast noch bemerkenswerter ist der Blick auf den gesamten Turnierverlauf des Europameisters. Denn: Nur einmal konnte Portugal ein Spiel regulär gewinnen. Zwei Mal musste die Verlängerung die Entscheidung bringen, einmal gar das Elfmeterschießen. Nach 90 Minuten konnte der neue Titelträger nur gegen Wales im Halbfinale als Sieger vom Platz gehen.
- In der gesamten Vorrunde gewann Gruppen-Favorit Portugal kein einziges Spiel gegen die Außenseiter Österreich, Island und Ungarn (drei Remis).
- Im Achtelfinale gegen den Titelkandidaten Kroatien erzielte Ricardo Quaresma erst in der 117. Minute den 1:0-Siegtreffer.
- Im Viertelfinale gegen Polen ging es mit einem 1:1 nach 120 Minuten ins Elfmeterschießen, das Portugal dann gewinnen konnte.
- Im Finale gegen Frankreich erlöste Éder in der 109. Minute die Selecao.
Runde | Partie | Ergebnis |
---|---|---|
Gruppe F | Portugal - Island | 1:1 (1:0) |
Gruppe F | Portugal - Österreich | 0:0 |
Gruppe F | Ungarn - Portugal | 3:3 (1:1) |
Achtelfinale | Kroatien - Portugal | 0:1 n.V. (0:0, 0:0) |
Viertelfinale | Polen - Portugal | 1:1 n.V. (1:1, 1:1), 3:5 i. E. |
Halbfinale | Portugal - Wales | 2:0 (0:0) |
Finale | Portugal - Frankreich | 1:0 n.V. (0:0, 0:0) |
#POR ist #Europameister - mit nur einem regulären Sieg nach 90 Minuten und als Dritter in einer Gruppe mit #HUN, #ISL und #AUT - unfassbar!
— Florian Weiß (@7TheFloW) 10. Juli 2016
EM 2016: Portugal macht es wie Italien bei WM 1982
Portugal hat somit als erste Mannschaft den EM-Sieg nach drei Remis in der Gruppenphase geschafft. Ein Novum bei einem großen Turnier ist dies allerdings nicht. 1982 wurde Italien nach drei Unentschieden in der Vorrunde noch Fußball-Weltmeister. Nach einem 0:0 gegen Polen spielte die Squadra Azzurra in Spanien damals jeweils 1:1 gegen Peru und Kamerun und zog nur wegen eines mehr erzielten Tores im Vergleich zu den Afrikanern in die Zwischenrunde ein. Dort wurden dann Argentinien (2:1) und Brasilien (3:2) geschlagen - im Finale letztlich Deutschland mit 3:1. Duplizität: Auch die WM war damals die erste mit 24 Mannschaften, wie nun die EM in Frankreich.
fw mit dpa