Tim Kleindienst kehrt mit Borussia Mönchengladbach zum 1. FC Heidenheim zurück. Er hat sich seit seinem Weggang stark entwickelt.
Mönchengladbach – Die Antwort auf die Frage, wer der wichtigste und beste Transfer von Borussia Mönchengladbach in den letzten Jahren war, fällt leicht: Tim Kleindienst.
Kleindienst polarisiert in Gladbach
In regelmäßigen Abständen schließen Fußballvereine Neuverpflichtungen ab, die rückblickend als „Königstransfers“ bezeichnet werden. Was beim FC Bayern Franck Ribéry, Arjen Robben, Manuel Neuer oder Robert Lewandowski waren, waren einst in Gladbach Marco Reus, Granit Xhaka oder Yann Sommer. Mit Kleindienst hat sich ein neuer Spieler dazugesellt.
Das war vor einiger Zeit noch nicht absehbar. Zwischen 2017 und 2019 blieb dem Stürmer beim SC Freiburg der Durchbruch in der Bundesliga verwehrt, 2023/24 ließ er mit zwölf Toren für den 1. FC Heidenheim aufhorchen. Das Preisschild in Höhe von sieben Millionen Euro erschien angemessen, damit war Kleindienst aber günstiger als Franck Honorat, Nathan Ngoumou (beide 8 Millionen Euro) und Tomáš Čvančara (10,5 Millionen Euro).
Dennoch hatten die Verantwortlichen am Niederrhein das Gefühl, einen besonderen Transfer getätigt zu haben. Dafür spricht, dass Kleindienst schon 2023 auf dem Zettel stand, Heidenheim den Torjäger aber unbedingt halten wollte. Wie Sport-Geschäftsführer Roland Virkus dem kicker berichtete, habe er zu hören bekommen, andernfalls hätte Frank Schmidt den Trainerposten an der Brenz niedergelegt.
Virkus über Kleindienst: „Unglaublicher Mentalitäts-Spieler“
Nach seiner Ankunft war Kleindienst als der Spieler auserkoren worden, der – wie Kevin Stöger und Philipp Sander – Gladbach mehr Biss verleihen sollte. Den Gegner im Aufbauspiel unter Druck setzen, ihn in Zweikämpfen stressen, die Ketten durch Läufe in Bewegung bringen und damit Räume für die Mitspieler aufreißen; das sind neben dem Toreschießen die Kernaufgaben des 29-Jährigen, der angesichts von 14 Saisontreffern den Jahrtausend-Rekord von Marco Reus (18 Tore in 2011/12) überbieten kann.
„Er ist ein unglaublicher Mentalitäts-Spieler, er hat die Kabine im Griff und gibt der Mannschaft eine Menge Impulse“, sagt Virkus dem kicker über Kleindienst, der „ein Typ“ sei, „der mit seiner Einstellung die anderen mitreißt“.
Wie groß Kleindiensts Einfluss in der Fohlen-Kabine ist, wird deutlich, wenn man im Umfeld genauer hinhorcht. Mehrfach wird sein Transfer mit der Rückkehr von Stefan Effenberg im Sommer 1994 verglichen. Anfang der 1990er-Jahre war Tabellenplatz neun das höchste der Gefühle, mit Effenberg wurde Borussia 1995 Tabellenfünfter, gewann den DFB-Pokal und schloss die Folgesaison auf Rang vier ab.
Auch abseits des Sportlichen – Gladbach belegt nach 23 Spieltagen Platz neun und hat Chancen auf eine überraschende Qualifikation für den Europapokal – ist der Kleindienst-Effekt messbar. Im Fan-Umfeld ist er der Leuchtturm der Mannschaft, der um den Borussia-Park herum auf vielen Werbetafeln zu sehen ist. Kleindienst ist allgegenwärtig, „Tim ist ein neues und wichtiges Gesicht der Borussia“, sagt Virkus.
Kleindienst ist ein Leuchtturm ohne Allüren
Der Schritt zum Leistungsträger und Führungsspieler erfolgte in Heidenheim, bei einem Klub mit der Aufmerksamkeit und Strahlkraft wie Borussia kommen diese Eigenschaften allerdings stärker zum Tragen. Ein weiterer Faktor ist, dass Heidenheim seit jeher vom Kollektiv lebt, in Gladbach Spieler mit dem Format des vierfachen deutschen Nationalspielers aber zu einer Seltenheit verkommen waren.
Kleindienst ist ein Unikat der Borussia, die in der Vergangenheit schillernde Typen wie Marcus Thuram, Breel Embolo oder Manu Koné in ihren Reihen hatte. Der Typus „Arbeitstier“ wird bei Traditionsvereinen besonders wertgeschätzt, Kleindienst repräsentiert diesen mustergültig.
Der 29-Jährige ist aufgrund der Gladbacher Entwicklung ein anderer Spieler als noch vor einem Jahr, und doch ist er immer noch derselbe Mensch. Nach seinen ersten Toren für die deutsche Nationalmannschaft trat Kleindienst mit großer Demut auf, so wirklich konnte er es nicht glauben, den Adler auf der Brust zu tragen. Und wenn er mal nicht als Fußballer gefordert ist, wird auf der Livestreaming-Plattform Twitch unter dem Namen „Smallservice“ vor mehreren hundert Zuschauern „Minecraft“ gespielt.
Geerdet hat ihn das missglückte Auslandsabenteuer bei KAA Gent in der Saison 2020/21, nach mehreren Trainerwechseln erfolgte die Rückkehr in die Komfortzone Heidenheim. Am Samstag (15.30 Uhr) kehrt Kleindienst als Borusse zurück, mit dem Ziel, drei Punkte zu entführen. Bei aller Emotionalität wird er sich erneut nur darauf konzentrieren, seine Leistung zu bringen. Alles andere zählt auf dem Platz nicht.