Borussia Mönchengladbach behauptet sich in der oberen Tabellenhälfte der Bundesliga. Noch im Oktober schien das unwahrscheinlich.
Mönchengladbach – Auf der Pressekonferenz nach dem Bundesligaspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt (1:1) am Samstagabend ließ Gerardo Seoane mit einer Aussage aufhorchen.
Seoane: „Ein Genuss, mit dem Team zu arbeiten“
Der Fohlen-Trainer bescheinigte seiner Mannschaft eine äußerst positive Entwicklung und frohlockte, es sei „im Moment ein Genuss, mit dem Team zu arbeiten“. Thomas Tuchel hatte sich einst beim FC Bayern „schockverliebt“ in seinen Kader, bei Seoane und Gladbach ist es dagegen Liebe auf den zweiten Blick.
Nach der herausfordernden Saison 2023/24, die mit 34 Punkten auf dem 14. Tabellenplatz endete, standen Borussia und Seoane im Oktober 2024 vor einem Kipppunkt. Nach acht Bundesliga-Spieltagen standen zehn Punkte und Rang elf zu Buche, hinzu kam das Ausscheiden im DFB-Pokal gegen Frankfurt trotz 75-minütiger Überzahl.
Stürmer Tim Kleindienst sah sich seinerzeit erstmals gezwungen, den Finger öffentlich in die Wunde zu legen und Klartext über die Mannschaft zu sprechen. Im Fan-Umfeld, längst aber auch in der Presse, war über einen erneuten Trainerwechsel spekuliert worden. Es bestanden berechtigte Zweifel, ob Seoane das Ruder herumreißen kann.
Gladbach schafft die Trendwende
Genau das ist dem Coach, der zwischen 2018 und 2021 mit den BSC Young Boys dreimal Schweizer Meister geworden ist und einmal den Pokal gewonnen hat, gelungen.
An den ersten 8 Spieltagen dieser Saison fuhr Gladbach drei Siege und ein Remis ein, kassierte vier Niederlagen und verbuchte 11:13 Tore. In den darauffolgenden 13 Spielen folgten sechs Siege, drei Remis und vier Niederlagen bei 22:18 Toren.
Soll heißen: Vor dem Pokal-Aus in Frankfurt hat Gladbach genau so viele Spiele verloren und fast so viele Gegentore kassiert wie nach diesem Wendepunkt. Der Tiefpunkt hat einen Schalter in der Mannschaft umgelegt, die seither mit einer anderen Energie auftritt, geschlossener verteidigt und mit Kleindienst über einen echten Torjäger verfügt.
Zwar kassierte Borussia zum Jahresauftakt drei Niederlagen, mittlerweile sind die Fohlen aber seit drei Spielen ungeschlagen – und das zum dritten Mal seit ebenjenem Pokalspiel. Davor konnte Gladbach lediglich in zwei aufeinanderfolgenden Partien eine Niederlage verhindern.
Seoane: „Alle sind extrem hungrig und demütig“
Die im Sommer angestoßenen Veränderungen im Kader sowie im Staff tragen Früchte. Seoane arbeitet vertrauensvoll mit seinem Trainerteam, Sport-Geschäftsführer Roland Virkus und Sportkoordinator David Zibung zusammen. Es gelingt den Verantwortlichen, auf Strömungen zu reagieren und einzulenken, wenn es notwendig ist. Das war 2023/24 nicht der Fall, damals galt es noch, das Boot ins Ziel zu retten und den größtmöglichen Schaden abzuwenden.
„Wir sehen individuell und kollektiv eine positive Entwicklung. Wir haben einen extremen Konkurrenzkampf, alle sind extrem hungrig und demütig, dass sie sich ihren Aufgaben komplett hingeben“, betonte Seoane, der sich seit dem Pokal-Aus auch über Punktgewinne gegen Top-Teams freuen durfte.
So fuhr Gladbach seit November gegen RB Leipzig (0:0), Borussia Dortmund (1:1), den FC Bayern (0:1), Bayer Leverkusen (1:3), den VfB Stuttgart (2:1) und Frankfurt (1:1) sechs Punkte ein. Das ist schon jetzt eine bessere Ausbeute als in der vergangenen Saison, in der Borussia gegen die Top-Sechs-Mannschaften insgesamt nur fünf Zähler einfuhr.
Überhaupt ist am Niederrhein eine deutliche Steigerung erkennbar. Im Vergleich zur Bilanz nach 21 Spieltagen in der Saison 2023/24 stehen gegenwärtig neun Punkte mehr und zehn Gegentore weniger zu Buche. Darüber hinaus steigerte Seoane seinen Schnitt von 1,0 Punkten pro Spiel auf 1,48 Punkte pro Spiel.
Gladbach und Seoane sind die Stehaufmännchen der Bundesliga
Im Herbst gab es noch Pfiffe gegen den Trainer, jetzt werden er und die Spieler gefeiert. Schon früh in der Saison wähnte Seoane Borussia auf dem richtigen Weg, „obwohl die Ergebnisse da noch nicht so waren, wie wir uns das gewünscht haben“, wie er im November in einem Interview mit Bild am Sonntag betonte.
Die benötigten Ergebnisse hat Gladbach eingefahren, das wiederum hat das Ansehen bei den Fans erhöht und das Selbstvertrauen gestärkt. Sinnbildlich dafür ist die Ausbeute von sieben Punkten aus den vergangenen drei Spielen, nachdem die Fohlen zuvor dreimal in Folge verloren hatten. Statt einzubrechen, steht die Mannschaft auf und erholt sich von Rückschlägen.
Das Unentschieden gegen die Eintracht unterstreicht die Entwicklung, die ausgerechnet nach der Pokal-Pleite gegen die Adler eingesetzt hat. „Die Mannschaft hat gezeigt, dass man Top-Teams Paroli bieten kann. Sie hat auch gezeigt, dass sie gegen Mannschaften in der unteren Tabellenregion sehr gut performt hat“, unterstrich Seoane am späten Samstagabend sein Lob, das er den Fohlen vor wenigen Monaten noch nicht hätte ausstellen können.